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17. September 1998:
20 Jahre medizinisch unterstützte Fortpflanzung

Von den ersten Gehversuchen zu einer "vertrauten Therapieform"

Die welsche Selbsthilfeorganisation "Azote Liquide - Weg zum Wunschkind" nimmt den zwanzigsten Geburtstag des ersten im Reagenzglas gezeugten Kindes, Louise Brown, zum Anlass, sich zum ersten Mal öffentlich in der Deutschschweiz vorzustellen. Mit einem Kinder- und Familienfest wollen Eltern und Kinder, die von dieser Organisation bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches unterstützt und beraten wurden, ihrer Lebensfreude Ausdruck geben. Gerade weil wir wissen, wie gross die Freude an der Entwicklung unserer Kinder ist und wie bereichernd sie für unser Leben sind, ist es wichtig, uns über den Einfluss technologischer Errungenschaften auf gesellschaftliche Entwicklungen, kritische Gedanken zu machen. Bei der Diskussion um die Befruchtung im Reagenzglas muss mitberücksichtigt werden, dass mit den technischen Möglichkeiten der Pränataldiagnostik und noch im stärkeren Masse mit der Präimplantationsdiagnostik (Überprüfung der Erbanlagen des Embryos im Reagenzglas), sich der blosse Wunsch nach einem Kind mit dem Wunsch verbindet, ein möglichst optimales Kind zu bekommen. Ob diese Optimierungs- und Auswahlverfahren, welche die Medizin bereits heute zur Verfügung stellt, tatsächlich dem Wohl der so erzeugten Kindern dienen, sind offene Fragen. Was ist, wenn ein Kind schliesslich doch nicht dem Wunschbild der Eltern entspricht? Wie verändert sich die Gesellschaft, wenn der Umgang mit Behinderungen, Krankheit und Gesundheit immer mehr zum technischen Problem und zur Kostenfrage wird? Bleibt da nicht die Menschlichkeit auf der Strecke? Aus diesen Überlegungen begrüssen NOGERETE und Basler Appell gegen Gentechnologie den von Bundesrat und Nationalrat getroffenen Entscheid, an einem Verbot der Präimplantationsdiagnostik und der Forschung an Embryonen festzuhalten. Schon heute sind viele Fragen offen. Wenn es im Untertitel der Presseorientierung von Azote Liquide heisst "von ersten Gehversuchen zu einer vertrauten Therapie", bedeutet das vor allem, dass heute die ÄrztInnen mit dieser Behandlungsmethode vertraut sind. Tatsache ist aber, dass die Erfolgsrate nach wie vor äusserst gering ist. Die meisten Frauen beenden die Behandlungen ohne Kind. Hunderttausenden von Frauen "half" diese "Therapie" höchstens, die Auseinandersetzung mit der schmerzlichen Tatsache einer möglichen Kinderlosigkeit hinauszuschieben und dies zum Preis von Gesundheitsschäden. Denn die massiven Hormonbehandlungen lösen oft gesundheitsschädigende Nebenwirkungen aus. Ganz zu schweigen von den psychischen Belastungen. Und trotzdem floriert das Geschäft mit der Hoffnung und macht die Frauen zu bereitwilligen Forschungsobjekten der Gen- und Reproduktionstechnologie. Durch die Befruchtung im Reagenzglas wird den Forschenden der Zugriff aufs menschliche Erbgut möglich. Zugegeben, es sind erste Gehversuche, zugegeben es gibt noch ethische Bedenken. Aber wie lange wird es noch dauern, bis aus ersten Gehversuchen der vertraute und gezielte Eingriff am menschlichen Erbgut wird? Und was wird dann als moralisch verwerflich gelten: Der Wunsch nach dem perfekten, genetisch optimierten Kind oder das Verbot der Anwendung dieser neuen Therapie?

Basel, 17. September 1998
NOGERETE
Basler Appell gegen Gentechnologie