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Vernehmlassung zum Entwurf für ein

Bundesgesetz über die Forschung an überzähligen Embryonen und embryonalen Stammzellen

NOGERETE (vormals Feministische Organisation gegen Gen- und Reproduktionsmedizin) ist Mitglied des Komitees zum Schutz der Menschenwürde und unterstützt die Stellungnahme des Komitees.

 

Grundsätzliches:

Erschüttertes Vertrauen in die schweizerische Demokratie

Einzelne im Komitee vertretene Organisationen verfolgen die Debatte und die Legiferierung im Bereich Fortpflanzungsmedizin und Gentechnik seit Mitte der 80er Jahre (Beobachterinitiative). Wir sind empört darüber, dass bisher sämtliche Warnungen - von kritischen Organisationen, Fachleuten und EthikerInnen vorgebracht - in den Wind geschlagen wurden. Gemäss verschiedenen VOX-Analysen bevorzugte das Volk in allen Abstimmungen zu Fragen der Gen- und Fortpflanzungstechnologie eine restriktive Lösung - eine solche wurde versprochen, jedoch systematisch unterlaufen.

Volkswille missachtet

Der Verfassungsartikel "Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich (Art. 119 in der neuen BV) wurde im Mai 1992 vom Volk gutgeheissen, weil von allen Seiten versichert wurde, damit könnten Missbräuche, z.B. die Forschung an Embryonen, wirksam unterbunden werden. Nur die künstliche Befruchtung werde zugelassen, und zwar unter restriktiven Bedingungen. Das Volk vertraute offenbar auf diese Aussagen, glaubte den ParlamentarierInnen, dass keine Embryonen für die Forschung anfallen würden und nahm den Artikel mit grossem Mehr an.1 Die meisten Menschen glaubten, dass gar keine überzähligen Embryonen entstehen würden, da dies laut Buchstabe des Verfassungsartikels nicht passieren durfte. Die Warnung kritischer Frauenorganisationen (z.B. der NOGERETE), dass mit der Zulassung der IVF eine betreffend Embryonenforschung unkontrollierbare Situation entstehen könnte, wurde von den Behörden nicht ernst genommen.

Nachdem klar wurde, dass es aus praktischen Gründen verwaiste Embryonen geben kann (eine Frau, die ein IVF-Programm mitmacht, kann während der Behandlung krank werden, sterben oder aus dem Programm aussteigen), hätte die Möglichkeit bestanden, diese Sache im Sinne des Volkswillens im Fortpflanzungsmedizingesetz (FmedG) zu regeln. Dort wurde es jedoch versäumt, ausdrücklich zu verlangen, dass imprägnierte Eizellen und Embryonen, die ihrer Mutter nicht mehr eingepflanzt werden können, sofort dem Absterben überlassen werden müssen. Kritische ParlamentarierInnen und Frauenorganisationen wiesen darauf hin. Die BefürworterInnen des FmedG beruhigten mit dem Hinweis, es sei im Gesetz ja eine Nationale Ethikkommission vorgesehen, deren Aufgabe es u.a. sein werde, allfällige Lücken in der Gesetzgebung zu schliessen (FmedG, 3. Kapitel, Art. 28, Absatz 3, Buchstabe b).

NEK düpiert

Am 31. August 2001 nahm die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) ihre Tätigkeit auf. Bereits im Jahr zuvor hatte eine ForscherInnengruppe aus Genf beantragt, menschliche embryonale Stammzellen aus dem Ausland einführen und an ihnen forschen zu dürfen. Am 26. Sept. 01 äusserte sich die NEK unzweideutig zu dem Fall: "In der Öffentlichkeit könnte die Schaffung von Präjudizien durch den Import embryonaler Stammzellen als Akt der Machtausübung verstanden werden."2 Es war von daher ein Schlag ins Gesicht des Souveräns und des Parlaments sowie eine skandalöse Missachtung der NEK, als der Stiftungsrat des Nationalfonds am 28. Sept. 01 entschied, das Genfer Team finanziell zu unterstützen und offiziell für die Erlaubnis einzutreten, an "überzähligen" menschlichen Embryonen forschen zu dürfen. Das Genfer Team wurde also in seiner bewussten Ausnutzung einer Gesetzeslücke (das Einführen embryonaler Stammzellen ist im FmedG nicht erwähnt) von der wichtigsten staatlichen Forschungsorganisation unterstützt....

Kompetenzüberschreitung des Nationalfonds?

Erpressbarkeit der eidgenössischen Behörden und des Bundesrates?

Unserer Ansicht nach widerspricht das Vorgehen des Nationalfonds jedem demokratischen Anstand und es ist für uns unverständlich, dass die Proteste von Bundesrat und Parlament nicht heftiger ausfielen. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, dem Genfer Team vorerst keine Unterstützung zu geben (auch wenn man aus wissenschaftlicher Sicht das Projekt befürwortete) mit der Begründung, die Sache sei juristisch noch nicht geregelt bzw. der Geist des Verfassungsartikels 119 sowie der Geist des FmedG erlaubten dies nicht. Aus Insiderkreisen wurde auch bekannt, dass das Genfer Team diesen Entscheid respektiert hätte, genauso wie es offenbar bereit ist, sich der kommenden Gesetzgebung zu unterziehen. Der massive und unseres Erachtens durch nichts zu rechtfertigende Druck scheint also vom Nationalfonds her zu kommen.

Das Vorziehen der Stammzellenfrage im EFG: Ein Kniefall vor der Forscherlobby

In dieser Situation stellt für uns der Auftrag ans BAG, ein Embryonenforschungsgesetz (zugeschnitten auf die Stammzellenfrage) vorzuziehen und ohne Berücksichtigung der Zusammenhänge mit andern, nahe verwandten Gebieten zu behandeln, keinen demokratisch sauberen Vorgang sondern eher einen Kniefall vor der Forscherlobby dar. Es besteht die Gefahr, dass Präjudizien im Hinblick auf das Gesetz Forschung am Menschen geschaffen werden. Embryonenforschung, Stammzellenforschung, Fortpflanzungsmedizin, Transplantationsfragen und Gentechnlogie sollten stets in ihren Zusammenhängen diskutiert werden Wir halten fest, dass wir eine Integration der Stammzellenfrage in die Fragen "Forschung am Menschen" bzw., wie Bundesrätin Dreifuss vorschlug3, in die Frage der Transplantation vorgezogen hätten. Wir denken, es wären so weniger "Unterlassungssünden" und Ungereimtheiten im Gesetzesentwurf entstanden, als es nun beim aktuellen EFG-Entwurf den Anschein hat.

 

Eine seriöse Debatte braucht Zeit

Laut FmedG sollte die NEK die Debatte in der Öffentlichkeit zu den sensiblen Fragen anregen und führen; dafür braucht sie aber mehr Zeit, eventuell auch mehr Mittel und darf auf keinen Fall derart unter Druck gesetzt werden, wie dies für die Stammzellenfrage geschehen ist.

Mit dem Gesetzesentwurf werden Weichen gestellt, die den ethischen Grundkonsens der Gesellschaft verändern. Eine seriöse Debatte muss deshalb auch zu Fragen geführt werden wie:

- Wer profitiert finanziell davon?

- Wer bezahlt die hohen Investitionen?

- Wo steht das Gesetz in der aktuellen Debatte um die "explodierenden Gesundheitskosten", und die stetige Mahnung an die Bevölkerung, weniger Gesundheitsleistungen zu verlangen?

 

 

Zum EFG im Einzelnen

Aus "überzähligen" Embryonen menschliche Stammzellen zu entnehmen ist nicht verantwortbar

Die Bezeichnung "überzählig" empfinden wir als stossend, wir bevorzugen den Ausdruck "verwaist". 4

Wir sind der Meinung, dass imprägnierte Eizellen und Embryonen, die keine Chance mehr haben, in den Körper ihrer Mutter eingepflanzt zu werden, sofort auf geeignete Weise sowie nach Rücksprache mit der Mutter dem Absterben überlassen werden müssen. Es besteht kein Anlass, sie weiter am Leben zu erhalten oder sie gar zu instrumentalisieren. Das Absterben lassen entspricht einem natürliche Vorgang und ist ethisch unbedenklich.

Embryonen gehören in den Körper der Frau

Menschliche Embryonen gehören in den Körper der Frau und dürfen auf keinen Fall instrumentalisiert werden. Es ist der weibliche Körper, der die Eigenschaft besitzt, Eizellen resp. Embryonen hervorzubringen, auf die nun Ansprüche erhoben werden. Ihre Entnahme setzt medizinische Eingriffe ohne therapeutischen Charakter voraus. NOGERETE befürchtet deshalb, dass Frauen - im Rahmen einer künstlichen Befruchtung (IVF) oder einer Abtreibung - zur Eizellen resp. Embryonen- "Spende" gedrängt, dass Aborte gezielt terminiert und nicht mehr mit alleiniger Rücksicht auf das Wohl der Frau durchgeführt werden. Die Integrität und Würde der Frau ist damit bedroht. Es ist uns bewusst, dass Eizellen- resp. Embryonen-"Spenden" nach geltendem Recht verboten sind. Dennoch ist es unausweichlich, dass das enorme Interesse an sog. "überzähligen" Embryonen die Praxis der IVF-Programme beeinflussen wird: "Überzählige" Embryonen sollen zwar von Gesetzes wegen vermieden werden, von der Forschung sind sie demgegenüber jedoch erwünscht. Praxisänderungen sind insbesondere bei der Auswahl "gesunder" Embryonen vor dem Embryo-Transfer zu erwarten. Ebenso ist davon auszugehen, dass die Anwendung der IVF-Methode in immer breiteren Kreisen propagiert wird.

 

Kein Anspruch von kranken Menschen auf Heilung durch Körper- oder Gewebeteile anderer Menschen.

Der Gesetzesentwurf wirft die Frage nach der Zulässigkeit der Instrumentalisierung von menschlichem Leben für anderes Leben auf. Die utilitaristische Position der Forschenden hebt den höheren Gesamtnutzen hervor, der durch die Verwertung eines sowieso nicht zum Leben bestimmten Embryos entstehe. Mit Berufung auf Kant argumentiert dagegen unter anderen NOGERETE, dass in keiner Situation Leben einzig als Mittel zum Zweck eingesetzt werden darf. Da der Zugriff auf Eizellen und Embryonen untrennbar mit einem Eingriff in die körperliche Integrität der Frau verbunden ist, ist die Instrumentalisierung von embryonalem menschlichem Leben untrennbar mit der Verletzung der Würde der Frau verbunden. Sollten sich die Prophezeihungen der Biomedizin bewahrheiten, so ist voraussehbar, dass ein enormer Bedarf an Eizellen und Embryonen als medizinische Ressource entstehen würde. Zur Deckung dieses Bedarfs wäre es unvermeidlich, dass Frauen – weltweit - einer neuen Ausbeutungsform ausgesetzt würden. Wenn sogar Kinder- , Menschen- oder Organhandel als kaum kontrollierbar beurteilt wird, so ist davon auszugehen, dass die Verhinderung des Eizellen- resp. Embryonenhandels völlig ausgeschlossen ist. Generell ist festzustellen, dass jegliche Form der menschlichen Zell- resp. Körperteiltransplantationstherapie unausweichlich zur allmählichen Aushöhlung von Menschenrechten führt. Was zunächst als freiwillige Spende zur Heilung von schweren Krankheiten propagiert wird, wird über kurz oder lang zu einem Anspruch der Behandlungsbedürftigen auf Zellen und Körperteilen gegenüber Männern und Frauen, die als "Spender" in Frage kommen. Diese Dynamik kann durch gesetzliche Vorschriften nicht aufgehalten werden. In einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem die Heilung von Krankheiten praktisch sämtliche Mittel heiligt, ist es ausgeschlossen, dass "Spenden" aus freiem Willen – d.h. freiwillig - erfolgen.

 

 

Forschungsfrist bis zum 14. Lebenstag: Also doch ein Freipass für die Forschung...

Kann die Instrumentalisierung sogenannt überzähliger Embryonen zur Stammzellentnahme formal noch als ein Spezialfall betrachtet werden, von dem nicht völlig eindeutig ist, ob er in der Bevölkerung bzw. nach Bundesverfassung als Embryonenmanipulation verstanden und von daher sicher abgelehnt würde, stellt die generelle Forschungserlaubnis bis zum 14. Lebenstag klar eine Verletzung des Geistes der Bundesverfassungsartikels 119 und somit des Volkswillens dar. Art. 119, Ziffer 2, Buchstaben a, c, d und e sind klar als Ausdruck des Willens, Embryonenforschung zu verbieten, zu verstehen. Ebenso ist Art. 30 des FmedG klar gegen die Embryonenforschung gemeint. Wir sehen überhaupt keinen Anlass, im jetzigen Zeitpunkt, da vom BAG nur die "drängende" Frage der Stammzellenforschung geregelt werden soll (so die Begründung für das Vorziehen des EFG), zusätzlich eine Forschungserlaubnis bis zum 14. Lebenstag der Embryonen zu geben! Für uns wirkt dieses Vorgehen nicht gerade vertrauenserweckend, macht es doch den Eindruck, als sollte mit der Euphorie/mit dem Zeitdruck, hervorgerufen durch die "Stammzellforschungslobby", gleich der ganze Damm gegen die Embryonenforschung eingerissen werden. Wie will sich der Gesetzgeber gegenüber dem Volk rechtfertigen, wenn der Vorwurf kommt: Wir haben euch den kleinen Finger gegeben und ihr nahmt die ganze Hand?

 

Die entscheidenden Verbote fehlen im Gesetz!

Wir begrüssen den vorliegenden Gesetzesentwurf insofern er bestehende Lücken und Grauzonen, die weder durch die Verfassung noch durch das Gesetz zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung klar geregelt sind, schliessen kann.

"Therapeutisches Klonen"

Wir sind der Ansicht, dass das in der BV bereits formulierte Verbot des Klonens in einem allfälligen EFG (oder auch in einem revidierten FmedG) unbedingt durch ein ausdrückliches Verbot des "therapeutischen" Klonens ergänzt werden muss. Wird diese Lücke nicht so schnell wie möglich geschlossen, besteht die Gefahr, dass gewisse ForscherInnen diese Situation ausnützen und einen Antrag auf Erlaubnis des therapeutischen Klonens stellen und der gleiche undemokratische Vorgang abläuft wie nach dem Antrag auf Forschung mit embryonalen Stammzellen. Das Verbot des "therapeutischen" Klonens ist aus vielen verschiedenen Gründen sehr wichtig. Hier nur zwei Argumente: - Das "therapeutische" Klonen ist technisch dasselbe wie das reproduktive Klonen und es ist deshalb unrealistisch anzunehmen, ersteres könne erlaubt werden ohne dass auch letzteres geschehe. -Wir vermuten, dass das "therapeutische" Klonen für die kommerziell nutzbare Anwendung von embryonalen Stammzellen als Therapeutika unabdingbar sein wird. Denn: Embryonale Stammzellen rufen bei den Menschen, in die sie verbracht werden, Immunreaktionen hervor. Um dies zu vermeiden, müssen embryonale Stammzellen genetisch verändert bzw. es muss das Erbgut der zu therapierenden Person in die embryonale Stammzelle bzw. in eine Eizelle eingesetzt werden. Konsequenterweise lehnen wir deshalb nicht nur die Entnahme von embryonalen Stammzellen (und somit die Entwicklung embryonaler Stammzelllinien) ab, sondern auch deren Folgen bzw. deren Voraussetzungen für einen kommerziellen Einsatz. Die Gefahr scheint uns sehr gross, dass wir - nach einer allfälligen Zulassung der embryonalen Stammzellforschung - massiv unter Druck gesetzt werden mit dem Argument, ihr könnt doch nicht jetzt, wo es darum ginge, Menschen mit den Zellen zu heilen, dagegen sein...

Eizellenspende

Wir fordern ein absolutes Verbot Die Entnahme von unreifen Eizellen aus abgestorbenen und abgetriebenen Föten sowie die Eispende muss, wie ein Mitglied des Komitees schon an anderer Stelle ausgeführt hat5, sowohl im FmedG als auch in einem allfälligen EFG verboten werden. Begründungen: Die Eispende kann niemals frei erfolgen, da es um einen operativen Eingriff in den Körper der Frau geht, der nicht ohne Risiken ist und weil stets eine Abhängigkeit von den behandelnden MedizinerInnen besteht. Die Eizellenentnahme an Föten oder an nicht einwilligungsfähigen Frauen ist eindeutig eine Verletzung der Würde der Frau. Weiter finden wir ausserordentlich wichtig zu sehen, dass mit der Erlaubnis, Eizellen zu spenden, einer Mentalität Vorschub geleistet wird, die lebendige Substanzen (Eizellen, aber auch menschliche Gewebe und Organe) als "Ressourcen" oder "Waren" betrachtet. Das Verständnis von menschlichen Genen, Zellen, Geweben und Organen als "Ressourcen", die effizient gewonnen und gerecht verteilt werden müssen, stellt bereits eine Verletzung der Menschenwürde dar (deshalb gibt es ja bisher auch ein striktes Handelsverbot). Wir finden es bedenklich, dass mit der Forcierung der Transplantationsmedizin bereits ein Denken in der Richtung "wenn ich medizinisch oder sonstwie darauf angewiesen bin, habe ich EIN RECHT darauf, von andern Menschen Zellen, Gewebe oder Organe zu erhalten", eingesetzt hat. Deshalb fordern wir nicht nur das Verbot der Eispende sondern zusätzlich ein Verbot der Entnahme unreifer Eizellen oder Urkeimzellen aus Föten.

 

Parthenogenese und andere Methoden zur Erzeugung von Embryonen oder embryoähnlichen Gebilden

Es scheint im Bereich des Möglichen, dass die Forschung Wege findet, menschliche Embryonen oder embryoähnliche Gebilde aus unbefruchteten, evtl. sogar unreifen Eizellen zu entwickeln. Theoretisch könnten auch männliche Keimzellen so stimuliert werden. Wir fordern, dass jegliche Versuche, menschliche Embryonen oder embryoähnliche Gebilde aus menschlichen Zellen herzustellen, verboten sind. Zur Begründung siehe obige Ausführungen zur "Ressourcenmentalität".

Patentierungsverbot

Das Verbot der Patentierung menschlicher Gene, Zellen, Gewebe und Organe wird von unseren Trägerorganisationen seit vielen Jahren gefordert, weil wir die Patentierung von menschlichen Substanzen als einen Verstoss gegen die Menschenwürde betrachten. Bei den embryonalen Stammzellen ist die Frage nun besonders brisant, denn: Sollte sich der Traum der ForscherInnen, embryonale Stammzellen als Therapeutikum einsetzen zu können, verwirklichen, wäre das Therapeutikum selbst kein lebloses Produkt der Stammzellen (wie dies ein Enzym z.B. wäre), sondern das Therapeutikum selbst bestünde aus lebenden Zellen. Dazu kommt, dass das Verfahren zur Entwicklung einer einsatzfähigen Zelllinie wohl kaum von den Zellen selbst zu trennen wäre. Unserer Ansicht nach muss deshalb ein Patentierungsverbot sowohl auf die Verfahren als auch auf die Zellen selbst ausgesprochen werden. Dieses müsste auf jeden Fall nicht nur im Patentgesetz sondern auch in einem allfälligen EFG formuliert sein. Wir schlagen vor, folgende Bestimmung im Art. 4 des EFG aufzunehmen: Embryonale Zellen und davon abgeleitete Zelllinien sowie Verfahren zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen sowie Verfahren zur Herstellung von Zellinien dürfen nicht patentiert werden.

 

 

Risikoforschung statt hohle Versprechen!

Wir finden es erschreckend, dass gewisse Forschungskreise eine neue Therapie versprechen und Druck zur Anpassung von Gesetzen fordern in einem Zeitpunkt, in dem es noch keinerlei Hinweise auf eine praktische sowie ethisch vertretbare Anwendung gibt.6 Folgende Fragen sind wissenschaftlich und medizinisch noch völlig ungelöst: - Wie kann eine Abstossung der embryonalen Stammzellen durch den Körper des Patienten vermieden werden? -Wie kann kontrolliert werden, ob die eingespritzten embryonalen Stammzellen sich erwartungsgemäss verhalten? Stichworte: Teilungsaktivität bzw. Tumorgefahr, Integration in den Körper des Patienten auch an nicht erwünschten Stellen, Gefahr der Chimärenbildung. Unseres Erachtens wäre eine Entnahme menschlicher embryonaler Stammzellen erst dann angezeigt bzw. diskussionsreif, wenn alle denkbaren Risiken in Tierversuchen abgeklärt wären und eine reale Chance bestünde, eine verantwortbare Therapie entwickeln zu können. Unseres Wissens gab es bisher nirgendwo systematische Forschung zur Abklärung von Risiken bei der Anwendung von Stammzelllinien. In einem Gesetz, das in irgendeiner Form Forschung an Stammzellen (und Anwendung von Stammzelllinien) erlaubt, muss deshalb unserer Meinung nach unbedingt eine Verpflichtung zur vorgängigen Risikoforschung enthalten.

 

 

Alternative: Adulte Stammzellenforschung

Wir sind der Ansicht, dass das Potential von adulten Stammzellen noch lange nicht ausgeschöpft ist. Bereits werden Blut, Haut und Knorpel bildende Stammzellen des Menschen therapeutisch eingesetzt. Diese Zellen weisen eine erstaunliche Plastizität auf, das heisst sie können sich auch noch zu anderen Zelltypen differenzieren. Doch die Kenntnisse sind noch lückenhaft. Es besteht also noch ein grosser Forschungsbedarf, der zuerst gedeckt werden soll, bevor Embryonen zu Forschungszwecken frei gegeben werden. Die Forschung mit adulten Stammzellen wirft zwar auch ethische Fragen auf. Diese sind jedoch weniger schwerwiegend als die Verwendung von Embryonen zu Forschungszwecken.

 

 

Rückwirkende Gültigkeit des EFG für bereits laufende Projekte

Forschungsgruppen, die - ohne das EFG abzuwarten - mit Projekten begonnen haben, sollen keine Übergangsfrist zugestanden bekommen für den Fall, dass ihr Projekt mit dem Gesetz nicht mehr übereinstimmt.

 

 

 

Bern, 5.9.2002

NOGERETE

Reta Caspar, Margrith von Felten, Susi Wiederkehr

 

 

 

 

Anmerkungen

  1. Vgl. auch: Sondervotum zum Bericht "Biomedizinische Forschung am Menschen" im Zusammenhang mit Artikel 24novies BV, 14.12. 94 (Minderheitsvotum

der Studiengruppe Forschung am Menschen), Seiten 3 und 5

2 Christoph Rehmann-Sutter, Forschung an importierten embryonalen Stammzellen, Stellungnahme Nr. 1/2001 der NEK, in: Schweizerische Ärztezeitung, Nr.
48, Seite 2524. Siehe auch: http://www.nek-cne.ch

  1. Forschung an Embryonen erlaubt, Tagesanzeiger, 29. Sept. 01, Seite 9
  2. Pressekonferenz der NEK vom 19. Juni 02 in Bern, Referat von NEK-Mitglied Carola Meier-Seethaler

5 Vgl. Vernehmlassung der NOGERETE zu den medizinisch-ethischen Richtlinien für die Transplantation fötaler menschlicher Gewebe vom 23. August 1995

6 Bitte beachten Sie, dass eine Forschungsvertreterin in der NEK (Prof. Dr. Sabina Gallati) an der Pressekonferenz vom 19. Juni 02 ausdrücklich vor jeglicher
Euphorie in Bezug auf die Anwendbarkeit der embryonalen Stammzelltherapie warnte.