Besuchen Sie uns neu auf http://nogerete.tripod.com

8. März 2001     Internationaler Tag der Frau

Ich bin mein Bauch

Strategien gegen die kontrollierte Reproduktion

Erinnern wir uns an die 1970er Jahre: Frauen gingen zu Tausenden mit dem Slogan "Mein Bauch gehört mir" auf die Strasse im Kampf für den straflosen Schwangerschaftsabbruch. Es war die Zeit der Gründung von Frauengesundheitszentren und der Beginn des selbstbewussten und selbstbestimmten Umgangs mit der weiblichen Fortpflanzung.

Heute stehen wir vor einer völlig neuen Diskussion: Der eugenische Schwangerschaftsabbruch steht im Vordergrund. Nach vorgeburtlicher Diagnose (von Ultraschall bis Fruchtwasserpunktion) wird abgetrieben, wenn Föten nicht den Normen entsprechen.

Das führt zur paradoxen Situation, dass immer mehr Wunschkinder - aus sogenannt "medizinischen" Gründen, die eigentlich eugenische sind - abgetrieben werden, während die selbstbstimmte Abtreibung in der Schweiz noch immer strafbar ist. Ziel von künstlicher Befruchtung wie von vorgeburtlicher Diagnose ist es, den Frauen die Reproduktion aus den Händen zu nehmen und damit den Nachwuchs zu kontrollieren. Schwangerschaft und Geburt drohen unter solchen Bedingungen zum zerstückelten Produktionsprozess zu verkommen, in dem Frauen primär als fötales Umfeld wahrgenommen und vor unzumutbare Entscheidungen gestellt werden.

"'Der Mensch schämt sich, geworden zu sein, statt gemacht zu sein', schrieb der Philosoph Anders 1942 im kalifornischen Exil. 50 Jahre später hat das Kinderkriegen immer mehr Züge einer perfekt organisierten und designbewussten Produktion angenommen, an deren Ende das durchgestylte Kind steht. Auch schwangere Frauen glauben inzwischen an die Machbarkeit von gesundem, wenn nicht gar tadellosem Nachwuchs. Und immer öfter fordern sie das ein, was Medizin und Humangenetik ihnen versprechen. Sie wollen jedes Risiko von vornherein ausschliessen. "Risiko" steht dabei ganz allgemein für Krankheit, Behinderung und Leid, während das Angebot, das Risiko auszuschliessen, mit dem Versprechen von Selbstbestimmung und Glück einhergeht. In diesem Kontext wird das, was bisher als Schicksal galt, plötzlich zur blossen Option, die man wählen kann oder auch nicht. Frauen verhandeln manchmal über ihren eigenen Körper, als gehöre er nicht zu ihnen, als sei er ihnen fremd. Sie vergessen, dass alle Ideen vom heilen, möglicherweise auch perfekten Kind, dass das Kontrollieren der Qualität des Fötus nur über und durch ihren Körper möglich ist: Schwangere Frauen bürgen für dieses 'Kind im Bauch' , sie bangen und hoffen; sie sind es, die möglicherweise gezwungen sein werden, ihr Wunschkind zu Tode zu gebären, und diese Trennung mit Tränen und Verzweiflung verarbeiten müssen."
(Eva Schindele: "Schwangerschaft zwischen guter Hoffnung und medizinischem Risiko" 1995)

Mit der Befruchtung im Reagenzglas wurde die Fortpflanzung ganz aus dem weiblichen Körper ausgelagert und dem direkten Zugriff von Forschung, Eugenik und Züchtung ausgesetzt. Damit ist der in den 70er Jahren angeprangerte Machtzugriff auf den weiblichen Körper weit übertroffen worden.

"Heute behaupten die Reproduktionsingenieure, sie manipulieren aus lauter Mitleid; um den Unfruchtbaren neue Hoffnung zu geben; um einen Geburtsfehler zu verhindern; um Frauen mehr Chancen und grössere Freiheit zu verschaffen. Sie vernebeln, dass ihre Manipulationen die Frauen als Gesamtheit betreffen, indem sie immer wieder das 'Recht' der einzelnen Frau betonen, diese Technologien zu benutzen" (aus Gena Corea: "Die MutterMaschine", 1986)

Der Blick der Frau auf ihren eigenen Körper und ihre Fruchtbarkeit verändert sich mit der zunehmenden "Selbstverständlichkeit" von medizinischer Überwachung der Reproduktion; und die Gesellschaft reagiert vermehrt mit Unverständnis oder gar mit Ablehnung falls frau sich entscheidet, Kinderlosigkeit oder eine späte Schwangerschaft als ihr Leben und nicht als medizinische Indikation zu anzusehen.

Nötig ist deshalb der selbstbewusste und selbstbestimmte Anspruch der Frauen: "Ich bin mein Bauch". Das bedeutet nicht einfach Verfügungsmacht über das eigene Leben und Leben eines Fötus, sondern das Bewusstsein um die Einheit der Lebensprozesse und die Verantwortung aller - für die eigene Person, für die Zukunft der Gesellschaft und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

"Die 'alte' Reproduktionstechnologie benutzen die Männer heute in ihren Fachgebieten Gynäkologie und Geburtshilfe; dort haben sie sich das Monopol über Geburt, Empfängnisverhütung, Abtreibung und Sterilisation gesichert. Sie üben damit eine Art primitive Kontrolle über die Reproduktion aus. Aber die 'neuen' Technologien werden sie bald instand setzen, die lebensspendenden Kräfte der Frau selbst zu übernehmen ."(Gena Corea: "Die MutterMaschine", 1986)

"Als die patriarchalischen Stämme die Grosse Göttin entthronten - die in sich Frauen, Tiere, die Natur und Männer geborgen hatte, nahmen sie für sich in Anspruch, dass Männer. von der Natur getrennt, nun mal über ihr stehen und von ihrem Gottvater die Herrschaft über Frauen und Tiere empfangen hatten. Sie nahmen Tiere nicht mehr als Wesen wahr, die eine Seele haben; sie achteten sie auch nicht mehr als heilig. Die Frauen verloren (...) ihren heiligen Charakter und wurden zu blossen Gefässen für das von Männern geschaffene Leben. Seit jener Zeit haben die Männer nicht aufgehört, die Natur, die Frauen und die Tiere zu unterwerfen. (...)

'Undenkbar, dass der Mensch je freiwillig auf seine potenzielle Herrschaft verzichten wird, nachdem er einmal so weit gegangen ist... Unsere genetische Verbesserung ist nicht nur offenkundig möglich, sondern sie ist auch bei weitem sicherer und machbarer als jede weitere Eroberung des Atoms, des interplanetaren Raums oder der äusseren Natur im allgemeinen... Selbst wenn wir scheitern bei der Eroberung der äusseren Natur - uns selbst haben wir doch erobert.'" (Zitat des Nobelpreisträgers und Genetikers H.J. Muller in Gena Corea: "Die MutterMaschine", 1986)

Die Befruchtung im Reagenzglas (In-vitro-Fertilisation, IVF) ist heute die Schnittstelle zwischen Gen- und Reproduktionstechnologien: Mit dem Zugriff auf die Eizelle ist die Tür zur genetische Manipulation und gezielten Menschenzucht aufgestossen worden - aber frau hat die Falle noch im Griff!

Deshalb gilt nach wie vor und je länger je mehr:

Frau nimmt ihr Recht auf Selbstbestimmung über ihr Leben, ihren Körper und ihre Fruchtbarkeit wahr.

Frau deckt die Gewalt- und Kontrollaspekte von Reproduktionstechnologien auf und verweigert sich ihnen.

Frau beansprucht Alternativen, die heute bestehen, und unterstützt den Aufbau und das Weiterbestehen von frauenbewussten Zusammenhängen wie

appella    Infostelle für Verhütung, Schwangerschaft und ungewollte Kinderlosigkeit    Tel. 01 273 06 60

Frauengesundheitszentren    z.B. FGZ Bern, Aarbergergasse 16    Tel. 031 312 31 20

Hebammen und   Adressen von freischaffenden Hebammen und Geburtshäusern vermittelt der
                                     Schweiz. Hebammenverband    Tel. 031 332 63 40

Geburtshäuser   www.geburtshaus.ch
 

Werden Sie Mitglied von Organisationen, die sich kritisch mit den Entwicklungen in Humanmedizin und Gentechnologie befassen:

NOGERETE Frauen gegen Gen- und Reproduktionstechnologie, Bern    Tel. 031 311 95 24

Basler Appell gegen Gentechnologie    Tel. 061 692 01 01